Krankheitskosten als aussergewöhnliche Belastung
#Weihnachtssteuertipp Nr. 7
Was sind aussergewöhnliche Belastungen
Eine Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung kann nach § 33 Abs. 1 EStG abgezogen werden, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen erwachsen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands.
Unterdiesen Voraussetzungen kann auf Antrag in der Einkommensteuererklärung der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden.
Wann sind au
Nach der Legaldefinition ist von Zwangsläufigkeit auszugehen, wenn der Steuerpflichtige sich den Aufwendungen weder aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen entziehen kann (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG ).
Die Nachrangigkeit der außergewöhnlichen Belastungen gegenüber den Betriebsausgaben, Werbungskosten und Sonderausgaben regelt § 33 Abs. 2 Satz 2 EStG; das bedeutet, dass Aufwendungen, die vorrangig als Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben zum Abzug zugelassen sind, nicht als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sind.
Darüber hinaus können nach dem Gesetzeswortlaut Aufwendungen, die für eine Diätverpflegung entstehen, nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden ( § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG ). Mit dieser Einzelfallregelung wollte der Gesetzgeber die Rechtsprechung wieder zurückführen.
Gleiches gilt übrigens für Prozesskosten, die ebenfalls nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenz zu verlieren ( § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG). Diese Einzelfallregelung ist ebenfalls als Antwort des Gesetzgebers auf die Rechtsprechung zu werten.
Nachweis außergewöhnlicher Belastungen
Den Nachweis der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall und für das Vorliegen der Voraussetzungen für eine behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale hat der Steuerpflichtige nach § 33 Abs. 4 EStG, § 64 EStDV wie folgt zu erbringen (§ 64 Abs. 1 Satz 1 EStDV):
- durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch);
- durch ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V) für
- eine Bade- oder Heilkur; bei einer Vorsorgekur ist auch die Gefahr einer durch die Kur abzuwendenden Krankheit, bei einer Klimakur der medizinisch angezeigte Kurort und die voraussichtliche Kurdauer zu bescheinigen,
- eine psychotherapeutische Behandlung; die Fortführung einer Behandlung nach Ablauf der Bezuschussung durch die Krankenversicherung steht einem Behandlungsbeginn gleich,
- eine medizinisch erforderliche auswärtige Unterbringung eines an Legasthenie oder einer anderen Behinderung leidenden Kindes des Steuerpflichtigen,
- die Notwendigkeit der Betreuung des Steuerpflichtigen durch eine Begleitperson, sofern sich diese nicht bereits aus dem Nachweis der Behinderung nach § 65 Abs. 1 Nr. 1 EStG ergibt,
- medizinische Hilfsmittel, die als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB V anzusehen sind,
- wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden, wie z. B. Frisch- und Trockenzellenbehandlungen, Sauerstoff-, Chelat- und Eigenbluttherapie.
- durch eine Bescheinigung des behandelnden Krankenhausarztes für Besuchsfahrten zu einem für längere Zeit in einem Krankenhaus liegenden Ehegatten oder Kind des Steuerpflichtigen, in dem bestätigt wird, dass der Besuch des Steuerpflichtigen zur Heilung oder Linderung einer Krankheit entscheidend beitragen kann.
Hinweis: Dieser zu erbringende Nachweis muss vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestellt worden sein (§ 64 Abs. 1 Satz 2 EStDV)
Die zuständigen Gesundheitsbehörden haben auf Verlangen des Steuerpflichtigen die für steuerliche Zwecke erforderlichen Gesundheitszeugnisse, Gutachten oder Bescheinigungen auszustellen (§ 64Abs. 2 EStDV).
Für den Nachweis der Anspruchsvoraussetzungen zur behinderungsbedingten Fahrtkostenpauschale sind die Vorschriften des § 65 EStDV zum Nachweis der Behinderung und des Pflegegrads anzuwenden (§ 64 Abs. 3 EStDV).
Steuertipps: Beantrage noch in diesem Jahr einen Nachweis der Behinderung und des Pflegegrads bei der zuständigen Gesunheitsbehörde. Denn auch wenn dem Antrag erst im kommenden Jahr entsprochen wird, kann dies deine Steuerlast eines bereits abgelaufenen Veranlagungsjahres rückwirkend günstig beeinflussen.
Zeitpunkt des Abzuges
Außergewöhnliche Belastungen sind grundsätzlich in dem Jahr steuerlich zu berücksichtigen, in dem die Aufwendungen geleistet worden sind. Eine abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 AO ist atypischen Ausnahmefällen vorbehalten. Sie kommt nicht in Betracht, wenn sich Aufwendungen im Veranlagungszeitraum der Verausgabung nicht in vollem Umfang steuermindernd ausgewirkt haben.
Es kommt nach § 11 Abs. 2 EStG grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Verausgabung an (Abflussprinzip).
Der BFH hatte mit Urteil vom 30.07.21982 entschieden, dass das Abflussprinzip des § 11 Abs. 2 EStG auch für außergewöhnliche Belastungen gilt . Sie können daher in einem Veranlagungszeitraum nur in der Höhe berücksichtigt werden, in der sie erbracht worden sind. In einem späteren Veranlagungszeitraum geleistete Ausgaben haben auch dann außer Betracht zu bleiben, wenn das ihnen zugrunde liegende Ereignis sowie der Rechtsgrund hierfür in das Streitjahr fallen, und die Ausgabe aus in diesem Jahr erwirtschaftetem Einkommen bestritten wird.
aus: BFH Urteil v. 30.07.1982 – VI R 67/79 BStBl 1982 II S. 744
Steuertipp: Wenn du regelmäßig Medikamente oder medizinische Hilfsmittel benötigst, empfehlen wir dir, nur zu einer Apotheke oder einem Sanitätsfachhandel zu gehen. Bitte darum, dass man für dich ein Kundenkonto anlegt und dir am Ende des Kalenderjahres einen Ausdruck aller Einkäufe auzuhändigen, die du in einem Jahr dort getätigt hast.
Die Merkmale für aussergewöhnliche Belastungen
Was meint der Gesetzgeber mit Aufwendungen?
Zunächst müssen Aufwendungen vorliegen, d. h. bewusste und gewollte Geldausgaben oder Sachzuwendungen [2]
Keine Aufwendungen liegen vor bei
- Zuwendung gebrauchter Kleidung,
- entgangenen Einnahmen (z. B. Verdienstausfall) [3],
- Vermögensverlusten, die ohne den Willen des Steuerpflichtigen eintreten [4].
Wann stellen Aufwendungen eine Belastungen dar?
Ein Steuerpflichtiger ist belastet, wenn ein Ereignis in seiner persönlichen Lebenssphäre ihn zu Ausgaben zwingt, die er selbst endgültig zu tragen hat. Die Belastung tritt mit der Verausgabung ein.
Eine (sofortige) Belastung liegt auch dann vor, wenn die Aufwendungen aus Darlehensmitteln bestritten werden; dagegen liegt bei darlehensweiser Überlassung keine Belastung vor.
Gleichgültig ist, ob das Einkommen oder das Vermögen durch die Aufwendungen belastet ist.
Keine Belastung liegt vor, wenn den Aufwendungen ein marktgängiger Gegenwert gegenüber steht, es sei denn, es handelt sich um
- Aufwendungen zur Wiederbeschaffung oder Schadensbeseitigung bei existentiell notwendigen Gegenständen oder
- anzuerkennende medizinische Hilfsmittel, die nur dem Kranken dienen.
Keine Belastung liegt auch vor, wenn die Aufwendungen von dritter Seite ersetzt werden (z. B. Krankenversicherung, Beihilfe, Schadenersatz).
Außergewöhnlichkeit
Aufwendungen sind außergewöhnlich, wenn sie größer sind als die der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen (§ 33 Abs. 1 EStG)
- gleicher Einkommensverhältnisse,
- gleicher Vermögensverhältnisse und
- gleichen Familienstands.
Nicht außergewöhnlich sind deshalb
- Kosten der Eheschließung,
- Umzugskosten,
- Erwerb eines selbst genutzten Hauses,
- Aufwendungen eines geschiedenen Elternteils zur Kontaktpflege.
- Aufwendungen von Eltern für Campingurlaube mit ihren behinderten Kindern.
Zwangsläufigkeit dem Grunde nach
Aufwendungen erwachsen zwangsläufig, wenn sich ihnen der Steuerpflichtige aus
- rechtlichen,
- tatsächlichen oder
- sittlichen
Gründen nicht entziehen kann (Zwangsläufigkeit dem Grunde nach).
Rechtliche Gründe
Rechtliche Gründe können sich ergeben
- aus Gesetz (z. B. Unterhaltspflicht),
- aus Verwaltungsakt oder
- aus Vertrag.
Der Steuerpflichtige darf aber die Ursache der rechtlichen Verpflichtung nicht selbst gesetzt haben.
Tatsächliche Gründe
Tatsächliche Gründe sind unabwendbare Ereignisse wie z. B. Katastrophen, Krankheit, Tod. Aufwendungen dieser Art dürften nur für den Steuerpflichtigen selbst in Betracht kommen.
Sittliche Gründe
Sittliche Gründe liegen vor, wenn
- sich der Steuerpflichtige nach dem Urteil gerecht und billig denkender Menschen zu der Leistung verpflichtet fühlen kann,
- die Leistung nicht nur menschlich verständlich, sondern von der Sittenordnung gefordert ist,
- die Verpflichtung einer Rechtspflicht gleich kommt oder ihr zumindest ähnlich ist,
- die Unterlassung der zu beurteilenden Handlung Nachteile im Sinne von Sanktionen im sittlich-moralischen Bereich oder auf gesellschaftlicher Ebene zur Folge haben kann, wenn das Unterlassen also als moralisch anstößig empfunden wird.
Nicht ausreichend ist die allgemeine sittliche „Verpflichtung”, in Not geratenen Mitmenschen zu helfen.
Zwangsläufigkeit der Art und der Höhe nach
Über die Zwangsläufigkeit dem Grunde nach hinaus müssen die Aufwendungen
- den Umständen nach notwendig sein und
- dürfen einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (Zwangsläufigkeit der Art und der Höhe nach).
Unter diesem Gesichtspunkt können z. B. Unterhaltsleistungen nicht zu berücksichtigen sein, wenn an Stelle der schenkweisen eine darlehensweise Unterstützung ausgereicht hätte.
Zumutbare Belastung
Zumutbare Belastung – verfassungsgemäß
Außergewöhnliche Belastungen können nur insoweit abgezogen werden, als sie die zumutbare (Eigen-)Belastung übersteigen, § 33 Abs. 1 EStG. Die zumutbare Belastung richtet sich nach
- der Höhe des Gesamtbetrags der Einkünfte (bei einzeln veranlagten Ehegatten nach dem Gesamtbetrag der Einkünfte beider Ehegatten),
- der anzuwendenden Steuertabelle und
- der Kinderzahl
und liegt zwischen einem und sieben Prozent des GdE, § 33 Abs. 3 EStG. Dabei ist nach neuerer Rechtsprechung eine stufenweise Berechnung erforderlich, d. h. auch bei einem hohen GdE wird bis zu einem GdE von 15.340 € der niedrigste Prozentsatz, darüber hinaus bis zu einem GdE von 51.130 € der mittlere Prozentsatz und erst für den darüber hinausgehenden GdE der höchste Prozentsatz angewandt.
Abzug der zumutbaren Belastung – verfassungsgemäß?
Der Abzug der zumutbaren Belastung ist verfassungsgemäß. Dies gilt auch beim Abzug von Krankheitskosten. Die eingelegten Verfassungsbeschwerden hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen. Anhängige Einsprüche hat die Finanzverwaltung mit einer Allgemeinverfügung zurückgewiesen.
Hinweis: Eine weitere Ungleichbehandlung von Beamten und Steuerpflichtigen, die keine Beamte sind, war Gegenstand eines weiteren Verfahrens vor dem FG Baden-Württemberg. Hier wurde der Abzug von Krankheitskosten ohne Kürzung um die zumutbare Belastung begehrt mit der Begründung, bei einem Beamten seien die Aufwendungen beihilfefähig, und eine gezahlte Beihilfe sei nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei. Der BFH ist dem nicht gefolgt. Hiergegen ist eine Verfassungsbeschwerden anhängig (BFH 1.9.2021 – VI R 18/19, Verfassungsbeschwerde eingelegt, Az. 2 BvR 1579/22)
Bei den typisierenden außergewöhnlichen Belastungen ist keine zumutbare Belastung abzuziehen.
Abgrenzung
Sind Aufwendungen sowohl außergewöhnliche Belastungen als auch Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben, ist der Abzug als Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben vorrangig, § 33 Abs. 2 Satz 2 EStG.
Dies gilt auch, wenn Aufwendungen dem Grunde nach Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben sind, ihr Abzug aber der Höhe nach beschränkt ist. Der übersteigende Betrag kann dann nicht als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden.
Sind Aufwendungen dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig, wegen der zumutbaren Belastung aber nicht berücksichtigt worden, so kann eine Steuerermäßigung nach § 35a EStG in Anspruch genommen werden, sofern es sich um nach dieser Vorschrift begünstigte haushaltsnahe Aufwendungen handelt.
Typisierende Regelungen
Einige häufig vorkommende Sachverhalte sind im Gesetz typisierend geregelt. In der Regel gehen damit besondere Abzugsvoraussetzungen und Beschränkungen der Höhe nach einher. Es handelt sich um folgende Regelungen:
- Aufwendungen für den Unterhalt und eine etwaige Berufsausbildung, § 33a Abs. 1 EStG.
- Der Empfänger-Personenkreis ist auf gesetzlich Unterhaltsberechtigte begrenzt.
- Der Abzug ist der Höhe nach auf 9.408 € (2020), 9.744 € (2021) bzw. 9.984 € (2022) beschränkt.
- Zu Einzelheiten vgl. das Stichwort Unterhalt.
- Sonderbedarf eines sich in Berufsausbildung befindenden, auswärtig untergebrachten, volljährigen Kindes, § 33a Abs. 2 EStG
- Nur für auswärtig untergebrachte und volljährige Kinder können Aufwendungen abgezogen werden.
- Der Abzug ist der Höhe nach auf 924 € beschränkt.
- Zu Einzelheiten vgl. das Stichwort Steuerentlastung durch Kinder
- Pauschbeträge für Menschen mit Behinderungen, § 33b Abs. 1 bis 3 EStG, § 33 Abs. 2a EStG
- Art und Umfang der Behinderung können nur auf genau vorgeschriebene Weise nachgewiesen werden.
- Es können nach dem Grad der Behinderung gestaffelte Pauschbeträge abgezogen werden.
- An Stelle des Pauschbetrags können die tatsächlichen Aufwendungen als „normale” außergewöhnliche Belastung abgezogen werden, § 33b Abs. 1 Satz 1 EStG.
- Zu Einzelheiten vgl. das Stichwort Menschen mit Behinderungen.
- Hinterbliebenen-Pauschbetrag, § 33b Abs. 4 EStG . Nur Bezieher bestimmter Hinterbliebenen-Bezüge kommen in den Genuss des Pauschbetrags.
- Pflege-Pauschbetrag, § 33b Abs. 6 EStG
- Der Pauschbetrag kann nur bei unentgeltlicher Pflege und Betreuung einer nahe stehenden Person abgezogen werden.
- An Stelle des Pauschbetrags können die tatsächlichen Aufwendungen und Betreuungskosten als „normale” außergewöhnliche Belastung abgezogen werden, § 33b Abs. 6 S. 1 EStG.
Stand: Nov. 2023
Einzelheiten zu § 33 EStG => R 33.1 – R 33.4 EStR und Hinweise
Michael Meier „Außergewöhnliche Belastungen“, NWB TAAAA-88426