Wie werden Kinder steuerlich berücksichtigt?

Freistellung des Existenzminimums sämtlicher Familienmitglieder als Ziel

Bei der Besteuerung einer Familie soll das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder steuerfrei bleiben. Damit Eltern bei gleich hohem Einkommen nicht höher besteuert werden als Kinderlose, wird bei ihrer Besteuerung ein Einkommensbetrag in Höhe des Existenzminimums sowie der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung ihrer Kinder steuerfrei belassen. Dies wird entweder durch das Kindergeld oder durch Freibeträge sichergestellt.

Finanzamt prüft, ob Kindergeld oder Freibeträge für die Familie günstiger ist

Im laufenden Kalenderjahr wird monatlich das Kindergeld ausbezahlt. Wird nach Ablauf des Kalenderjahres eine Steuererklärung abgegeben, prüft das Finanzamt von Amts wegen (Günstigerprüfung), ob das Kindergeld zur Freistellung des Existenzminimums ausreichend war oder ob hierfür im Nachhinein der Ansatz von Freibeträgen (der Kinderfreibetrag und der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf) erforderlich ist.

Kinderfreibeträge als ELStAM im Lohnsteuerabzugsverfahren

Diese Freibeträge sind in der Regel bei der Berechnung der Lohnsteuer nicht zu berücksichtigen. Sie wirken sich jedoch auf die Höhe des Solidaritätszuschlags und der Kirchensteuer aus. Damit der Arbeitgeber diese Abzugsbeträge richtig berechnen kann, wird die Anzahl der Kinderfreibeträge in der Regel automatisch als ELStAM gebildet. Es besteht auch die Möglichkeit, bei Ihrem Wohnsitzfinanzamt die Berücksichtigung einer geringeren Anzahl von Kindern zu beantragen oder die Berücksichtigung insgesamt auszuschließen. Dies macht z.B. dann Sinn, wenn Ihr Arbeitgeber nicht erfahren soll, dass Sie Kinder haben bzw. wie viele Sie haben.

Wie werden Kinder steuerlich berücksichtigt?

Kinder sind leibliche und angenommene Kinder sowie Pflegekinder (dazu gehören nicht so genannte „Kostkinder“, die aus finanziellen Gründen aufgenommen worden sind).

Jedes Kind wird mit dem Zähler 0,5 bei jeweils einem Elternteil berücksichtigt. Der Zähler erhöht sich auf 1, wenn

  • die im Inland wohnenden leiblichen Eltern oder Pflegeeltern eines Kindes miteinander verheiratet sind und nicht dauernd getrennt leben,
  • ein im Inland wohnender Lebenspartner das leibliche Kind seines Lebenspartners angenommen hat und die beiden Lebenspartner nicht dauernd getrennt leben,
  • nicht dauernd getrennt lebende und im Inland wohnende Ehegatten ein Kind gemeinsam angenommen haben,
  • der andere Elternteil eines leiblichen oder angenommenen Kindes vor dem Beginn des Kalenderjahres 2021 verstorben ist,
  • der Arbeitnehmer das Kind nur allein angenommen hat,
  • es sich um ein Pflegekind handelt und das Pflegekindschaftsverhältnis nur zum Arbeitnehmer besteht,
  • der Wohnsitz des anderen Elternteils nicht zu ermitteln ist,
  • der Vater des Kindes amtlich nicht feststellbar ist, z.B. weil die Mutter den Namen des Vaters nicht bekannt gegeben hat, oder
  • der andere Elternteil voraussichtlich während des gesamten Kalenderjahres 2021 im Inland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Damit Ihr Arbeitgeber Freibeträge bereits im Lohnsteuer-Abzugsverfahren berücksichtigen kann, müssen ihm die richtigen elektronischen LohnSteuerAbzugsMerkmale (ELStAM) vom Finanzamt übermittelt werden.

Soweit dem Arbeitnehmer Kinderfreibeträge zustehen, die noch nicht oder nicht mehr als Lohnsteuerabzugsmerkmal berücksichtigt werden, können Sie die Berücksichtigung der richtigen Zahl der Kinderfreibeträge beantragen. Kinderfreibeträge können auch für mehrere Jahre gelten, wenn nach den tatsächlichen Verhältnissen zu erwarten ist, dass die Voraussetzungen bestehen bleiben. Bei Anwendung der Steuerklassen III und IV sind auch Kinder des Ehegatten bei der Zahl der Kinderfreibeträge zu berücksichtigen. Der Antrag kann nur nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck gestellt werden.

Übertrag der Kinderfreibeträge ist auf Antrag möglich

Der Kinderfreibetrag kann auf Antrag auch auf einen Stiefelternteil oder auf einen Großelternteil übertragen werden, wenn dieser das Kind in seinem Haushalt aufgenommen hat. Die Übertragung ist auch möglich, wenn dieser anstelle der Eltern Unterhalt für das Kind leistet und er einer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind unterliegt. Für die genannten Übertragungsfälle hält das Finanzamt einen besonderen amtlichen Vordruck (Anlage K) bereit. Als ELStAM wird die Zahl der Kinderfreibeträge nur bei den Steuerklassen I bis IV gebildet.

Für Kinder im Ausland werden Kinderfreibeträge nur berücksichtigt, soweit die dortigen Verhältnisse denen im Inland entsprechen. In diesem Fall können um 1/4, 1/2 oder 3/4 verminderte Beträge in Betracht kommen.

Kinder unter 18 Jahren

Im Inland ansässige Kinder werden bis zum Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie das 18. Lebensjahr vollenden, grundsätzlich automatisch berücksichtigt. Ausnahmen kommen bei Pflegekindern in Betracht.

Weicht die Zahl der Kinderfreibeträge von den tatsächlichen Verhältnissen zu Ihren Gunsten ab, müssen Sie die ELStAM von Ihrem Finanzamt ändern lassen . Ist die Zahl der Kinderfreibeträge für Kinder unter 18 Jahren niedriger als es den tatsächlichen Verhältnissen entspricht, werden die ELStAM auf Ihren Antrag hin von Ihrem Finanzamt geändert.

Die Berücksichtigung von Kindern, die nicht in der Wohnung des Arbeitnehmers gemeldet sind, setzt einen einmaligen Antrag voraus (amtlicher Vordruck „Antrag auf Lohnsteuer-Ermäßigung“ nebst „Anlage Kinder zum Lohnsteuer-Ermäßigungsantrag“). Als Nachweis ist dem Antrag eine Geburtsurkunde des Kindes oder ein Auszug aus dem Geburtsregister beizufügen oder die Steuer-IdNr. des Kindes anzugeben. Sollen die Kinder im Lohnsteuer-Abzugsverfahren zum 1. Januar 2021 berücksichtigt werden, ist der Antrag bereits im Kalenderjahr 2020 zu stellen.

Können Sie für ein Kind unter 18 Jahren, das bei Ihnen nicht gemeldet ist, keine Geburtsurkunde oder keinen Auszug aus dem Geburtsregister beibringen oder die Steuer-IdNr. des Kindes nicht angeben, weil Sie z.B. den Aufenthaltsort Ihres Kindes nicht kennen, richten Sie bitte den Antrag auf Berücksichtigung dieses Kindes unter Beifügung geeigneter anderer Nachweise an das für Sie zuständige Finanzamt. Das Gleiche gilt, wenn

  • Sie die Berücksichtigung des vollen Kinderfreibetrags beantragen, weil der Wohnsitz des anderen Elternteils nicht zu ermitteln ist oder weil der Vater des Kindes amtlich nicht feststellbar ist,
  • Sie die Berücksichtigung des vollen Kinderfreibetrags beantragen, weil der andere Elternteil voraussichtlich während des ganzen Kalenderjahres im Inland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt hat
  • Sie die Übertragung des Kinderfreibetrags beantragen oder
  • Sie einen Kinderfreibetrag für ein im Ausland ansässiges Kind beantragen.

Kinder über 18 Jahre

Für Kinder, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, wird nur auf Antrag und bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen durch das Finanzamt ein Kinderfreibetrag berücksichtigt. Ist nach den tatsächlichen Verhältnissen zu erwarten, dass die Voraussetzungen bestehen bleiben, kann der Kinderfreibetrag auch für mehrere Jahre berücksichtigt werden. Weicht die Zahl der Kinderfreibeträge von den tatsächlichen Verhältnissen zu Ihren Gunsten ab, müssen Sie die ELStAM von Ihrem Finanzamt ändern lassen.

Kinder über 18 bis zum vollendeten 21. Lebensjahr

Kinder über 18 bis zum vollendeten 21. Lebensjahr werden berücksichtigt, wenn sie nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen und bei einer
Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchende gemeldet sind.

Kinder über 18 bis zum vollendeten 25. Lebensjahr

Kinder über 18 bis zum vollendeten 25. Lebensjahr werden berücksichtigt, wenn

  • sie für einen Beruf ausgebildet werden (darunter ist auch die Schulausbildung zu verstehen),
  • sie eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen können,
  • sie sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befinden, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b des Soldatengesetzes oder eines nachfolgend aufgeführten freiwilligen Dienstes liegt oder
  • sie ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr, eine europäische Freiwilligenaktivität, einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst oder einen Freiwilligendienst aller Generationen im Sinne von § 2 Absatz 1a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch oder einen Bundesfreiwilligendienst oder einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst oder einen anderen Dienst im Ausland (§ 5 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes) leisten.

Über 18 Jahre alte Kinder werden grundsätzlich bis zum Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums berücksichtigt. Darüber hinaus werden Kinder nur berücksichtigt, wenn sie keiner schädlichen Erwerbstätigkeit nachgehen. Eine schädliche Erwerbstätigkeit liegt nicht vor bei Kindern, die sich in einem Ausbildungsdienstverhältnis befinden, einer Erwerbstätigkeit mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von maximal 20 Stunden oder einer geringfügigen Beschäftigung (sog. Mini-Job) nachgehen.

Kinder mit Behinderung

Für über 18 Jahre alte Kinder, die wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten, kann ebenfalls auf Antrag durch das Finanzamt ein Kinderfreibetrag berücksichtigt werden. Dies gilt auch für Kinder, die älter als 25 Jahre sind, wenn die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist. Kinder, die wegen einer vor dem 1.Januar 2007 in der Zeit ab der Vollendung ihres 25. Lebensjahres und vor Vollendung ihres 27. Lebensjahres eingetretenen Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten, werden
auch weiterhin berücksichtigt. Es besteht die Möglichkeit, den dem Kind zustehenden Pauschbetrags für Menschen mit Behinderungen auf die Eltern zu übertragen.

Pflegekinder

Für Pflegekinder wird auf Antrag durch das Finanzamt ein Kinderfreibetrag berücksichtigt. Als Ihr Pflegekind ist ein Kind anzuerkennen, das mit Ihnen durch eine familienähnliche, auf längere Dauer angelegte Beziehung verbunden ist und das Sie in Ihrem Haushalt aufgenommen haben. Voraussetzung ist ferner, dass das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern nicht mehr besteht und Sie das Kind nicht zu Erwerbszwecken aufgenommen haben.

Entlastungsbetrag für Alleinerziehende

Alleinerziehende erhalten seit 2020 einen Entlastungsbetrag von max. 4.008 €, wenn zu ihrem Haushalt mindestens ein Kind gehört, für das sie Anspruch auf auf Kinderfreibeträge oder Kindergeld haben. Für jedes weitere Kind erhöht sich der Betrag um 240 € (Stand: 04/2021). Welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen und wie Sie den Entlastungsbetrag erhalten, erfahren Sie in unserem Blogbeitrag Entlastungsbetrag für Alleinerziehende.

Freibeträge für Kinder in Sonderfällen

Hat ein Arbeitnehmer ein Kind, für das im Kalenderjahr 2021 ein Kinderfreibetrag zu berücksichtigen wäre, für das aber weder ihm noch einem anderen Kindergeld oder vergleichbare Leistungen zustehen, so werden der Kinderfreibetrag und der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf Antrag als Freibetrag ermittelt und als ELStAM gebildet. Ist das Kind im Ausland ansässig, so können um 1/4, 1/2 oder 3/4 verminderte Beträge in Betracht kommen.

Fazit

Bei der Besteuerung einer Familie muss das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder steuerfrei bleiben. Damit Eltern bei gleich hohem Einkommen nicht höher besteuert werden als Kinderlose, wird bei ihrer Besteuerung ein Einkommensbetrag in Höhe des Existenzminimums sowie der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung ihrer Kinder steuerfrei belassen. Dies wird entweder durch das Kindergeld oder durch Freibeträge für Kinder sichergestellt. Der besonders hohe Mehraufwand von Alleinerziehenden gerade während der Pandemie wird seit 2020 durch einen deutlich erhöhten Entlastungsbetrag für Alleinerziehende berücksichtigt.

Quelle:

Bild von Hai Nguyen Tien auf Pixabay

Lohnsteuerratgeber 2021 (BMF)

Schmidt/Krüger EStG 2021 § 32